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Geschlecht nicht bestimmt
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2. Diagnose

Nach Slamka (2006: 78) ist die Art [zumindest in Europa] unverwechelbar. Das unten gezeigte Foto eines Falters aus der coll. ZSM stimmt sehr gut mit der Abbildung des wahrscheinlichen Holotypus [rotes Etikett "Origin." und ebenfalls rotes Etikett "Sarepta"] in Zolotuhin (2005: fig. 9) überein, ebenso mit dem auch dort gezeigten Foto eines weiteren alten Falter-Belegs aus Sarepta (fig. 10) sowie mit Slamka (2006: Farbtafel 15: fig. 109c). Auch die insgesamt 3 von Slamka (2006) auf dieser Farbtafel gezeigten Falter stammen alle von Sarepta und sind alt.

(Autoren: Jürgen Rodeland & Erwin Rennwald)

2.1. Geschlecht nicht bestimmt

3. Weitere Informationen

3.1. Andere Kombinationen

3.2. Taxonomie und Faunistik

Herrich-Schäffer (1860: 11-12) erhielt sein Männchen für die Erstbeschreibung von Hercyna originalis nach eigener Aussage von Herrn Möschler aus Sarepta. Er schreibt zwar nicht ausdrücklich, dass ihm nur ein einziger Falter zur Erstbeschreibung vorlag, das war aber eher das Normale und wenn er mehrere Falter hatte, vermerkte er das sonst auch (zumindest manchmal). Trofimova (2017: 487) schrieb in ihrem Artikel "Pyraloidea and Pterophoridae moths described from Volgo-Ural Region" dann unter "TL" (type locality) auch einfach "Sarepta" und unter "TD" (deposition of the type(s)): "the holotype kept in ZMHU". Der zugehörige Falter wird dann auf S. 623 auf Tafel 41 fig. 16 mitsamt 4 Etiketten abgebildet mit Legende (S. 622): "16. Hercyna originalis Herrich-Schäffer, 1860, holotype (coll. ZMHU)." Die Etiketten lauten: "Origin." [gedruckt, blassrotes, quadratisches Etikett], "Sarepta - C. . 59 - typ. Expl. - Herrich-Schäffer" [handschriftlich, weißes, quadratisches Etikett mit grünem Rahmen - wie es wohl nur Möschler für Typen in seiner Sammlung benutzte], "Coll. Möschler", "ex coll. Staudinger" [gedruckt mit handschriftlicher Ergänzung "212"].

Verblüffenderweise ging Trofimova (2017) überhaupt nicht auf die Arbeit ihres Kollegen Zolotuhin ein. Zolotuhin (2005) hatte zur Verbreitung der Art geschrieben: "Распространение. Представлен только старыми материалами (просмотрено 4 экз.— ZMHUB), собранными в ХIХ веке под Сарептой. Дополнительный, в том числе и современный, материал мне не известен." [Übersetzung: Verbreitung. Repräsentiert nur durch altes Material (4 untersuchte Exemplare - ZMHUB), gesammelt im neunzehnten Jahrhundert in der Nähe von Sarepta. Weiteres, auch aktuelles, Material ist mir nicht bekannt.] Er selbst zeigt 2 dieser 4 Tiere, wiederum jeweils mit Etiketten: "Origin." [gedruckt, blassrotes Etikett], "Coll. H.-Sch." [gedruckt, weißes Etikett], "Sarepta [handschriftlich, rotes Etikett]" bzw. lediglich "Sarepta" [handschriftlich, grünes Etikett]. Die zu den beiden fig. gehörenden Legenden: "9. «Titanio» originalis (H.-S.), ♂, лектотип (ZMHUB); 10. «Titanio» originalis (H.-S.), ♂ (ZMHUB)". Der Falter mit den beiden roten Etiketten wurde hier also doch als "Lectotyp" bezeichnet. Doch formal genügt das nicht! Im Code (ICZN) heißt es unter § 74.7. Lectotype designations after 1999: "To be valid, a lectotype designation made after 1999 must "74.7.1. employ the term "lectotype" or an exact translation [das ist hier der Fall] [...], 74.7.2. "contain information sufficient to ensure recognition of the specimen designated" [ist hier eher nicht gegeben] [...] 74.7.3. "contain an express statement of deliberate designation (merely citing a specimen as "lectotype" is insufficient)." [genau dies ist hier nicht gegeben]. Im Code gibt es dazu sogar ein Beispiel: "Example. A statement such as "lectotype hereby designated", "lectotype by present designation", "I choose specimen X as lectotype" would fulfil this requirement, but "lectotype: specimen X" would not." - die Lectotypen-Festlegung war hier eindeutig nicht ausreichend. Anders als bei Titanio ledereri hatte Zolotuhin (2005) im fortlaufenden Text auch nichts von einem Lectotypus zu dieser Art geschrieben.

Und jetzt? Da Zolotuhin (2005) einen Lectotypus wählen wollte, muss er überzeugt gewesen sein, dass mindestens 2 seiner 4 erwähnten Exemplare aus Sarepta Syntypen gewesen sein müssen - da seine Lectotypen-Festlegung ungültig war, gäbe es also noch immer nur Syntypen. Beim Vergleich der Abbildungen von Zolotuhin (2005) und Trofimova (2017) fällt auf, dass es sich zweifelsfrei um drei verschiedene Exemplare handelt! "Lectotypus" und "Holotypus" sind hier also nicht identisch! Falls es sicher wäre, dass das Exemplar von Trofimova der Holotypus wäre, wäre alles geklärt. Immerhin stammt das grün umrahmte Etikett mit "Sarepta - C. . 59 - typ. Expl. - Herrich-Schäffer" eindeutig von Heinrich Benno Möschler", und wenn er Herrich-Schäffer nur ein Exemplar geschickt hatte, das er nach der Artbeschreibung zurück erhielt, wäre das tatsächlich als "Monotypus" auch der Holotypus. Das Sammlungsjahr [18]59 würde auch gut dazu passen, da die Art ja 1860 beschrieben wurde. Zolotuhins "Lectotyp" steckte in coll. Herrich-Schäffer. Gut möglich, dass Herrich-Schäffer doch 2 (oder mehr) Falter bekommen hatte und einen davon behielt, während er den anderen an Möschler zurückschickte. Oder hatte Herrich-Schäffer den Falter für seine Sammlung erst nach seiner Beschreibung bekommen - auch nicht auszuschließen? Oder war der "Lectotyp" tatsächlich der einzige Falter, den Möschler geschickt hatte? Den anderen gleichartigen konnte Möschler dann ja selbst etikettieren, nur wäre er dann natürlich weder Holotypus noch Syntypus. War Zolotuhins Ansatz also doch der bessere? Wir wissen es nicht!

Zolotuhin (2005) nannte noch eine weitere Datenquelle (frei übersetzt): "Titanio originalis (Hbn.) wird für das Wolgograder Gebiet von A. P. Kumakov und Y. P. Korshunov [1979: 39] mit Verweis auf die Arbeit von A. Becker [Becker, 1862] aufgeführt." Und tatsächlich listet Becker (1862: 337) neben vielen anderen Arten auch "B.[otys] originalis Möschl.". Becker war Botaniker (aber wenigstens ein bisschen auch Entomologe) und ergänzte jetzt seine Liste der Pflanzen von Sarepta auch um Insekten. S. 336 erklärt er: "Ich lasse nun hier die Aufzählung der Insecten folgen, deren ich in meinen früheren Mittheilungen nicht erwähnte, nebst einigen Bemerkungen über theils diese, theils schon erwähnte. Die Namen der Schmetterlinge verdanke ich den Herren Möschler in Herrnhut und Dr. Staudinger in Dresden, die in Verbindung mit den Herren Herrich-Schäffer u. Zeller meine übersendeten Thiere zur Ansicht hatten". Und damit schließt sich der Kreis: Herrich-Schäffers "Original" kam zwar von Heinrich Benno Möschler, aber der war Insektenhändler in Herrnhut. Und Alexander Kasparowitsch Becker wohnte und arbeitete in Sarepta und verschickte von dort aus Herbarbelege und Insekten an Händler nach Europa. Er dürfte also das "Original" gesammelt und an Möschler geschickt haben, der darin möglicherweise die neue Art erkannte und sie Herrich-Schäffer zur Begutachtung und Beschreibung weiterleitete.

Und Zolotuhin (2005) stellt noch etwas Seltsames fest (wieder frei übersetzt): "Im Katalog von G. Rebel [Rebel, 1901: 60, Nr. 1100], wo sie in der gleichen Gattungskombination aufgeführt ist, wird Sarepta mit Fragezeichen angeführt, und als Verbreitungsgebiet wird Syrien angegeben." Tatsächlich hatte Rebel (1901: 60) die Art in der Gattung Titanio geführt, wo sie mangels Alternative und mangels näherer Untersuchung (es gibt weder eine Genitalbeschreibung noch ein Barcoding-Ergebnis) noch immer steckt. Seine Zeile lautete knapp: "1100. Originalis HS. n. Schm. 78 p. 11. ?Srp; Syr." Was ihn dazu bewog, Sarepta als Typenlokalität in Frage zu stellen, bleibt schleierhaft; "Syrien" als Vorkommensgebiet ist wohl schlichtweg falsch, jedenfalls vollständig unbelegt.

Bei Anikin et al. (2017: 205) werden "Astrakhan" und "Uralsk" als Oblasten mit Nachweis der Art geführt, Oblast "Volgograd" nur mit Altangabe. Dazu heißt es: "TL: "von Sarepta". Desert steppes and saline lands. Was listed by Caradja (1916) from Uralsk." Liest man bei Caradja (1916: 28) nach, steht dort: "T. originalis HS. (1100). Uralsk, Krasnowodsk". Aktuell heißen die beiden Großstädte heute "Oral" (in West-Kasachstan) und "Türkmenbaşy" (im Westen von Turkmenistan).

Bei Kazenas & Baizhanov (2009) ist zu lesen: "Titanio originalis H.-S. – Среднеаридный. – Северный склон гор Кокшетау. – Поймана одна бабочка 7 VI. (Фалькович, 1969)." Fundort des Falters von Falkovitch war demnach der nördliche Hang der Berge von Kökschetau ganz im Norden des asiatischen Teils von Kasachstan. Von noch viel weiter östlich von Kasachstan (fast an der Grenze zu China) stammt der oben gezeigte Sammlungsbeleg von Scharkent, den wir dieser Art zuordnen möchten.

(Autor: Erwin Rennwald)

3.3. Literatur